Fotografie-Blog

Out of the Cam – Was soll das bitte sein?

Manchmal stolpert man in Fotografie-Foren über den Begriff „Out of the Cam“ – oft stolz wie ein frisch polierter Oldtimer präsentiert. Auf die Frage, was genau das bedeuten soll, folgt meistens diese Antwort: „Ich möchte im Moment der Aufnahme alles richtig machen, damit später keine Nachbearbeitung nötig ist. Ich nutze das Originalbild und verfälsche nichts.“

Klingt erstmal ehrenwert, oder? Aber Moment mal – da ist doch was faul im Staate Dänemark!

Alles richtig machen

Natürlich sollte jeder Fotograf das Ziel haben, im Moment der Aufnahme so viel wie möglich richtig zu machen. Keine Frage. Schließlich lässt sich aus einem matschigen Schnappschuss kein Meisterwerk zaubern, egal wie gut die Bildbearbeitung ist. Wer das bestreitet, hat wahrscheinlich noch nie versucht, ein völlig verwackeltes Bild zu „retten“.

Aber jetzt kommt der interessante Teil…

Keine Nachbearbeitung? Wirklich?

„Out of the Cam“ – also das Bild, so wie es auf der Speicherkarte landet, ohne jegliche Nachbearbeitung? Klingt nach der puren, unberührten Wahrheit der Fotografie. Nur: Das ist Quatsch.

Wenn du „Out of the Cam“ meinst, dann fotografierst du im JPEG-Format, oder? Und hier beginnt schon der erste Widerspruch: Jedes JPEG ist das Ergebnis einer Mini-Bildbearbeitung, die deine Kamera im Hintergrund erledigt. Schärfen, Kontraste, Farbanpassungen – das alles wird von der Kamerasoftware vorgekaut. Deine Kamera ist quasi der unsichtbare Praktikant, der dein Bild vorbearbeitet, während du noch denkst, du bist der Chef.

Selbst das Objektiv mischt mit: Es flüstert der Kamera zu, wenn zum Beispiel eine Vignette entfernt werden muss. Also nichts mit „unverfälscht“ – das JPEG aus der Kamera ist schon ein halbes Kunstwerk.

RAW: Der wahre Nerd-Modus

Und falls du im RAW-Format fotografierst? Dann kommst du um die Nachbearbeitung sowieso nicht herum. RAW-Dateien sind wie ein rohes Steak – essbar, aber nicht wirklich genussvoll. Ohne „Entwicklung“ kriegst du aus einem RAW nur blasses Grau, das aussieht, als hättest du einen Filter der Kategorie „50 Shades of Sadness“ verwendet.

Analoge Ausreden: Auch nicht besser

Aber was ist mit der analogen Fotografie? Die war doch „echt“ und „unverfälscht“! Na ja, auch das ist eher Wunschdenken. Schon beim Kauf des Films hast du eine Entscheidung getroffen: Leuchtende Farben oder gedeckte Töne? Viel Kontrast oder lieber weichgezeichnet? Und wenn das Foto schließlich entwickelt wurde, war die Sache noch lange nicht vorbei: Abwedeln, nachbelichten, und das Papier selbst hatten einen massiven Einfluss auf das Endergebnis.

„Schon in der Anfangszeit, als der Fotograf die Belichtungszeit selbst abmaß, als in der Dunkelkammer der Entwickler penibel angemischt wurde, um bestimmte Effekte zu erzielen, da wurde manipuliert.

Tatsächlich ist jedes Foto von A bis Z eine Fälschung. Ein völlig sachliches, unmanipuliertes Foto ist praktisch nicht möglich. Letzten Endes bleibt es allein eine Frage von Maß und Können.“

Edward Steichen

Selbst damals war nichts „Out of the Cam“. Es war eher „Out of the Dunkelkammer“ – und das auch nicht ohne kreative Spielereien.

Out of the Cam – Was soll das bitte sein?

Also, was bleibt von „Out of the Cam“? Ein nettes Märchen, das sich gut anhört, aber in der Realität keinen Bestand hat. Fotografie war und ist immer ein Prozess – sei es analog oder digital.

Hast du eine andere Meinung? Dann hau in die Tasten und schreib’s in die Kommentare. Aber bitte nicht „Out of the Cam“ – das glaubt dir eh keiner. 😉

Kommentare

  • Klaus

    „Out of the Cam“ ist zwar ein umstrittener Begriff, aber die Grundidee dahinter – ein Bild so gut wie möglich direkt bei der Aufnahme zu gestalten – hat durchaus ihren Reiz. Es geht um die bewusste Auseinandersetzung mit Licht, Komposition und Technik, um das bestmögliche Ergebnis ohne großen Nachbearbeitungsaufwand zu erzielen. Auch wenn moderne Kameras bereits interne Bearbeitungen vornehmen, bleibt der Ansatz, sich auf das Handwerk der Fotografie zu konzentrieren, eine wertvolle Philosophie. Schließlich kann ein starkes Fundament in der Aufnahme den gesamten Workflow erleichtern – egal ob mit oder ohne Nachbearbeitung.

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