Vinyl-Blog

Ein Klassiker mit Patina – Mein Hörerlebnis mit Blues Breakers John Mayall with Eric Clapton

Gestern habe ich einen dieser seltenen Momente erlebt, die das Herz eines jeden Vinyl-Sammlers höherschlagen lassen: In einer Kiste gebrauchter LPs entdeckte ich die Stereo-Version des legendären Albums Blues Breakers John Mayall with Eric Clapton – und konnte nicht widerstehen. Zuhause angekommen, legte ich die Platte erwartungsvoll auf den Teller. Doch die erste Enttäuschung folgte auf dem Fuß: Der Klang wirkte dumpf, fast wie aus einem alten Grammophon. Sollte das wirklich das stilprägende Bluesalbum der 60er sein?

Erst nach einer gründlichen Reinigung mit meiner Plattenwaschmaschine offenbarte sich der wahre Charakter dieser fast 60 Jahre alten Pressung: plötzlich warm, detailreich, erstaunlich präsent. Es war, als hätte ich eine ganz andere Platte aufgelegt. Die Gitarre klang schneidend und direkt, Mayalls Stimme kraftvoll, die Band agierte kompakt und auf den Punkt. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür, was in guter analoger Technik steckt – und warum wir Vinylfreunde uns die Mühe des Waschens gerne machen. Für Sammler übrigens interessant: Während die Mono-Version bereits 1966 in Großbritannien veröffentlicht wurde, erschien die Stereo-Variante erst 1969 auf dem europäischen Markt.

Von den Yardbirds zu Mayall – Claptons Suche nach dem wahren Blues

Eric Clapton war zum Zeitpunkt der Aufnahmen bereits eine gefeierte Figur der britischen Musikszene. Mit seinem Spiel bei den Yardbirds hatte er sich den Ruf eines herausragenden Gitarristen erarbeitet – und genau deswegen verließ er die Band. Ihre Hinwendung zu einem kommerzielleren, poppigeren Sound war nicht das, was Clapton suchte. Stattdessen zog es ihn zum rohen, ungeschliffenen Blues – und John Mayall, ein etwas älterer Bluesfan und Multiinstrumentalist aus Manchester, bot ihm genau das richtige Umfeld.

Mayall hatte mit den Bluesbreakers eine junge, leidenschaftliche Band aufgebaut, deren Repertoire sich tief im amerikanischen Chicago-Blues verankerte. Clapton, fasziniert von Größen wie Freddie King und Otis Rush, fand hier endlich den kreativen Boden, den er suchte. Die Chemie stimmte – auf der Bühne wie im Studio.

Live war das Ziel – das Studio wurde zur Bühne

Ursprünglich hatte Decca ein Livealbum der Bluesbreakers vorgesehen. Immerhin galt die Band als mitreißende Live-Attraktion, ihr Sound war roh, direkt und elektrisierend. Doch logistische Schwierigkeiten und Probleme mit der Tontechnik machten das Vorhaben zunichte. Was blieb, war ein Studiotermin – doch der Livegeist sollte erhalten bleiben. Tatsächlich klingen viele Passagen des Albums, als stünde man mitten im Club, umgeben von Zigarettenrauch und schweißgetränkten Verstärkern.

Sammler wissen: Einige rare Liveaufnahmen aus jener Zeit – insbesondere Radiomitschnitte oder Bootlegs – sind heute begehrte Raritäten. Sie zeigen eine Band in Hochform, mit einem Clapton, der bereits 1966 zur Gitarre sprach, statt sie einfach nur zu spielen.

Der „Beano-Sound“ – Clapton setzt Maßstäbe

Clapton war 21, als Blues Breakers aufgenommen wurde – aber sein Sound war revolutionär. Mit einer 1960er Gibson Les Paul Standard, angeschlossen an einen übersteuerten Marshall-Verstärker (JTM45), erzeugte er jenen fetten, singenden Ton, der später als „woman tone“ in die Musikgeschichte einging. Die Geschichte will es, dass er während der Aufnahmen im Studio demonstrativ eine Ausgabe des Comics Beano las – weshalb das Album unter Fans oft schlicht The Beano Album genannt wird.

Die Studiotechniker waren alles andere als begeistert von der Lautstärke und Verzerrung, mit der Clapton arbeitete. Doch er setzte sich durch – und veränderte damit nachhaltig den Klang der Rockmusik. Sein Ton war kein Zufall, sondern das Ergebnis minutiöser Soundvorstellungen, die sich gegen damalige Konventionen richteten.

Die Besetzung – ein Who’s Who des britischen Blues

Neben Clapton an der Gitarre und stellenweise am Mikrofon agierte John Mayall selbst an Orgel, Piano, Mundharmonika und Gesang. Am Bass: John McVie, der wenig später zusammen mit Mick Fleetwood und Peter Green Fleetwood Mac gründen sollte. Hughie Flint saß am Schlagzeug, ein solider, zurückhaltender Begleiter, der dem Gitarrensound Raum ließ. Einige Tracks wurden durch Bläserarrangements veredelt – darunter der Saxofonist Alan Skidmore und Trompeter Dennis Healey.

Die Aufnahmen fanden in den Decca Studios unter der Produktion von Mike Vernon und Gus Dudgeon statt – beide Namen sollten später noch häufiger in den Credits britischer Musikgeschichte auftauchen, etwa bei David Bowie und Elton John.

Ein Album macht Geschichte – und einen Mythos

Veröffentlicht im Juli 1966, stieg das Album rasch in die britischen Charts ein und hielt sich dort 17 Wochen – ein beachtlicher Erfolg für ein Bluesalbum. Die Versuche, einzelne Titel als Singles zu vermarkten (etwa Parchman Farm oder Ramblin’ On My Mind), blieben allerdings kommerziell erfolglos. Doch das Album wirkte unter der Oberfläche – wie ein musikalischer Keim, der den britischen Bluesboom der späten 60er-Jahre entscheidend mitprägte.

John Mayall wurde bald als „Vater des britischen Blues“ bezeichnet – eine Rolle, die er mit Stolz und einer beeindruckenden Entdeckungsgabe ausfüllte. In den kommenden Jahren gingen Musiker wie Peter Green, Mick Taylor, Jack Bruce, Aynsley Dunbar oder später Walter Trout durch seine Schule. Doch Blues Breakers John Mayall with Eric Clapton bleibt sein erstes großes Vermächtnis – ein Meilenstein, roh, direkt, wegweisend.

Ein Stück Musikgeschichte – besser gewaschen

Wenn ich jetzt die gereinigte LP auflege, klingt sie nicht nur wie eine Zeitreise zurück ins Jahr 1966 – sie ist ein Stück lebendige Musikgeschichte. Das Album steht für eine Ära des Aufbruchs, für Klangexperimente, für Leidenschaft. Und es beweist, dass ein gut gepflegtes Originalpresswerk auf Vinyl mehr transportiert als nur Musik – es trägt Seele.

Für mich ist dieses Album weit mehr als nur ein Sammlerstück. Es ist ein Klangdenkmal, das man hören, spüren und verstehen muss. Und manchmal muss man es einfach waschen, damit es spricht.

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert