
Stevie Ray Vaughan – Texas Flood – Endlich auf dem Plattenteller
Es gibt Momente beim Stöbern durch Plattenkisten, die sind wie das Öffnen einer alten Schublade: Der Staub fliegt auf, das Licht fällt schräg auf vergilbte Cover, und plötzlich hältst du etwas in den Händen, das dich innehalten lässt.
Ich bin kein Jäger nach der einen Platte. Wenn ich Plattenläden durchstreife, dann ohne feste Liste – die großen Funde passieren sowieso immer dann, wenn man sie am wenigsten erwartet.
Und doch gibt es diese Wünsche, die leise mitreisen. Texas Flood von Stevie Ray Vaughan war so ein Wunsch. Seit Jahren führt das Album meine persönliche Top 10 an, ein Platz, den es sich ohne Zweifel verdient hat. Aber bis jetzt fehlte es in meiner Sammlung – nie das richtige Exemplar, nie der richtige Moment. Bis heute.
Ein Gewitter kündigt sich an
Als ich die Platte aus der Kiste zog, sah sie aus, als hätte sie selbst schon einen texanischen Sturm hinter sich: stark verschmutzt, die Hülle mit Gebrauchsspuren. Aber keine tiefen Kratzer. Kein Totalschaden. Also ab damit nach Hause und direkt ans Reinigungsritual – mit Label-Schutz, weichem Pinsel und viel Geduld.
Kreisend arbeitete ich Staub und Schmutz aus den Rillen, Schicht für Schicht. Fast so, als würde ich die Jahrzehnte abtragen, die sie irgendwo unbeachtet in einem Regal verbracht hatte. Würde sich all die Mühe lohnen?
Als die ersten Töne von Love Struck Baby aus den Lautsprechern kamen, war die Antwort klar: Oh ja, sie hat sich gelohnt.
1983: Ein Gitarrist trotzt den 80ern
Als Texas Flood erschien, war die Musiklandschaft fest in der Hand von Synthesizern, Drumcomputern und Popproduktionen, die so glatt waren wie die Anzüge der Bands. Der Blues war bestenfalls noch ein Nischenphänomen – ein Relikt vergangener Zeiten.
Doch dann kam dieser Mann aus Texas mit seiner abgewetzten Stratocaster, dicken 13er-Saiten und einem Spiel, das zugleich kraftvoll, zärtlich und wild war. Stevie Ray Vaughan brachte den Blues zurück ins Rampenlicht, und das mit einem Debütalbum, das eigentlich nur ein Demo sein sollte.
Aufgenommen in nur drei Tagen in Jackson Brownes Studio, wirkt Texas Flood wie ein Live-Mitschnitt – roh, ehrlich, ungeschliffen. Vaughan scherte sich nicht um die Trends der Zeit. Er ließ die Gitarre sprechen, und die Welt hörte zu.
Ein texanischer Sturm im Wohnzimmer
Schon mit den ersten Takten von Love Struck Baby rollte der Groove los – kraftvoll, direkt, warm. Und dann der Titeltrack Texas Flood – neun Minuten pures Gefühl, mit jedem Bending schien Vaughan die Luft im Raum zu zerreißen.
Ich hatte viel erwartet. Aber was da aus meinen Boxen kam, übertraf alles. Es klang, als würde Stevie Ray Vaughan direkt im Wohnzimmer stehen – ein Sturm, der gleichzeitig reinigt und belebt.
Ein Album ohne Kompromisse
Was Texas Flood so besonders macht, ist nicht nur die technische Brillanz. Es ist die Energie, die Ehrlichkeit, das Herzblut, das aus jeder Note tropft. Vaughan und seine Band (Double Trouble) spielten nicht für Charts oder Trends – sie spielten, als hinge ihr Leben davon ab.
Manchmal kommen Platten genau dann, wenn man sie nicht sucht
Diese Platte hat mich überrascht – obwohl ich sie längst zu kennen glaubte. Auf Vinyl entfaltet sie eine Wucht, die weit über Nostalgie hinausgeht.
Vielleicht ist das das Schöne am Sammeln: Nicht der schnelle Klick im Online-Shop, sondern das Finden. Irgendwann, irgendwo. Eine Platte, die ihre Geschichte trägt – und plötzlich auch Teil meiner wird.
Texas Flood ist endlich da, wo es hingehört: auf dem Plattenteller. Und ganz ehrlich? Es klingt, als hätte es nie woanders hingehört.

