Vinyl-Blog

John Hiatt – Mystic Pinball – Wenn der Plattenteller zur Flipperkugel wird

Es gibt Alben, die brauchen kein großes Aufheben. Sie kommen nicht mit Pauken und Trompeten, sondern schleichen sich leise in die Gehörgänge – und bleiben dann einfach da. Mystic Pinball von John Hiatt ist genau so ein Album. Kein Bestseller, kein Grammy-Magnet. Aber ein Werk mit Charakter, Tiefe und einem Sound, der auf Vinyl einfach richtig Sinn ergibt.

Wer ist dieser John Hiatt überhaupt?

Für alle, die ihn nicht sofort auf dem Schirm haben: John Hiatt ist einer dieser Songwriter, von denen man meist Songs kennt, aber nicht immer den Namen. Er schrieb schon für Bonnie Raitt, Eric Clapton, Bob Dylan, Rosanne Cash – um nur mal kurz die erste Liga zu nennen. Und trotzdem bleibt er oft im Hintergrund. Vielleicht, weil er kein Rockstar sein will. Vielleicht, weil er einfach lieber Musik macht als Show. Auch nicht das Schlechteste.

Mystic Pinball – ein Album wie ein Spaziergang durch Gedanken

Veröffentlicht 2012, ist Mystic Pinball Hiatt’s 21. Studioalbum – und damit ungefähr sein siebenundzwanzigstes Leben. Das Schöne: Man merkt es ihm an. Dieses Album ist nicht wild oder laut, sondern klug, gefasst, warm. Wie jemand, der viel erlebt hat – und statt zu jammern einfach drüber singt.

Gleich der Opener „We’re Alright Now“ zieht einen in den Bann: ein trockener Beat, eine Stimme, die ein bisschen nach Whiskey klingt, und ein Text, der Lebensklugheit ohne Selbstmitleid liefert. Es geht um das Leben. Nicht das glatte, sondern das mit Ecken, Macken und ein paar blauen Flecken.

It All Comes Back Someday“ klingt wie ein musikalisches Schulterzucken – und das ist in diesem Fall ein Kompliment. Man hört ihm zu und denkt: Ja, stimmt. Genau so ist das.

Spätestens bei „No Wicked Grin“ wird’s bluesig. Hiatt lässt hier die Gitarre knurren, während er fast knurrig dazu singt – das ist Americana vom Feinsten, ohne Filter und ohne Weichzeichner.

Produziert wurde das Ganze von Kevin Shirley – einem, der auch schon bei Joe Bonamassa, Iron Maiden oder Beth Hart an den Reglern saß. Und ja, man hört’s. Die Produktion ist kraftvoll, aber nicht überladen. Der Sound ist direkt, ehrlich – und auf Vinyl besonders charmant. Man hat fast das Gefühl, Hiatt sitzt im Raum.

Und das Vinyl?

180 Gramm, schön gepresst, ruhige Rillen – und ein Cover, das zwischen Retro und Rätsel schwankt. „Mystic Pinball“? Das Bild auf dem Cover lässt Interpretationsspielraum. Irgendwo zwischen Kirmes, kosmischer Sinnsuche und Kneipenflipper. Genau genommen: ein passendes Bild für Hiatts Musik. Denn auch die flackert mal auf, bleibt mal hängen, schießt sich selbst ab – und trifft trotzdem mitten ins Herz.

Kein Hitfeuerwerk – aber ein Herzensalbum

ohn Hiatt – Mystic Pinball ist kein Album für Charts, sondern für Menschen. Für Leute, die Musik nicht streamen, sondern hören. Für alle, die beim Auflegen einer Platte den Alltag kurz abstellen und sich fragen: „Was erzählt mir dieser Song heute?“

Es ist ein Album, das sich nicht aufdrängt. Aber wer sich ihm zuwendet, wird reich belohnt: mit Geschichten, mit Seele – und mit einem Sänger, der nie aufgehört hat, zuzuhören, bevor er singt.

Am besten hören bei Dämmerlicht, einem Glas Rotwein (oder auch Tee) und ohne Smartphone in Reichweite. Vinyl auflegen, Nadel senkt sich, click, los geht’s. Ganz ohne Tilt.

Album auf Spotify anhören

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