Vinyl-Blog

Billy Joel – An Innocent Man: Zurück in die gute alte Zeit, als zu der Jukebox noch niemand „Spotify“ gesagt hat

Es ist 1983. Die Welt hört Michael Jackson, die Frisuren werden immer höher, und in den Kinos laufen „Flashdance“ und „Star Wars – Die Rückkehr der Jedi-Ritter“.
Und mitten in dieser neonbunten 80er-Welt kommt Billy Joel daher – und präsentiert ein Album, das klingt, als wäre es direkt aus den späten 50ern in die Gegenwart gebeamt worden.

Warum? Weil er’s kann – und weil er offenbar Lust hatte, einfach mal ein Werk zu schaffen, das nur Spaß macht. An Innocent Man ist keine nostalgische Kopie, sondern eine lebendige Liebeserklärung an die Musik seiner Jugend: Doo-Wop, Motown, Soul und klassischer Rock’n’Roll.

Eine Reise durch die Songs – bitte anschnallen, Zeitmaschine einschalten!

1. Easy Money
Das Album startet, als würde jemand den Motor eines Cadillac Eldorado anwerfen. Rock’n’Roll-Drive pur – und man kann förmlich die Petticoats tanzen sehen.

2. An Innocent Man
Hier lehnt man sich an eine Straßenlaterne, schaut den Regen runterprasseln und singt Soul, als wäre man Ben E. King persönlich. Ein Song wie ein Sonntagabendfilm in Schwarz-Weiß.

3. The Longest Time
A-Capella-Doo-Wop – kein Schlagzeug, keine Gitarre, nur Stimmen. Wer behauptet, 1983 sei zu spät für diesen Sound gewesen, hat offensichtlich noch nie einen Ohrwurm davon gehabt.

4. This Night
Joel „leiht“ sich ein Motiv von Beethoven und macht daraus eine Ballade, die so süß ist, dass selbst der Komponist im Himmel vermutlich mit den Füßen wippt.

5. Tell Her About It
Hier läuft die Motown-Maschine heiß: Bläser, Groove, und der Rat fürs Leben gleich mitgeliefert – „Sag’s ihr einfach, bevor’s zu spät ist!“

6. Uptown Girl
Das Ding kennt jeder. Jeder. Auch wenn er behauptet, nicht. Frankie Valli & The Four Seasons lassen grüßen – pure Ohrwurmgarantie.

7. Careless Talk
Ein Augenzwinkern in R&B-Form. Klingt wie ein Lied, das in einer verrauchten Bar läuft, in der die Kellnerin immer „Honey“ zu einem sagt.

8. Christie Lee
Der Saxophonist bekommt hier mal so richtig Auslauf. Schneller Rhythm & Blues, der sich wie eine Verfolgungsjagd im 50er-Jahre-Film anhört.

9. Leave a Tender Moment Alone
Billy holt Toots Thielemans ans Mikro (bzw. an die Mundharmonika) – und plötzlich wird alles weich, warm und ein bisschen melancholisch.

10. Keeping the Faith
Der perfekte Abschluss: Joel schaut zurück auf seine Jugend und zwinkert uns zu – „Hey, auch wenn die Zeiten sich ändern, ein bisschen Faith muss bleiben.“

Warum dieses Album besonders ist

An Innocent Man ist kein museales Retroprojekt, sondern eine lebendige musikalische Zeitreise. Joel singt nicht nur über alte Stile – er lebt sie in jedem Takt. Und das Ganze ist technisch lupenrein produziert: Der warme Charme der 50er/60er trifft auf den klaren Studio-Sound der 80er.

Vinyl-Tipp

Wer das Glück hat, eine frühe Pressung zu ergattern, bekommt nicht nur den warmen, satten Klang, sondern auch dieses leicht knisternde Gefühl, als würde gleich jemand einen Milkshake neben der Jukebox abstellen.

An Innocent Man ist wie ein Abend in einem American Diner: Milchshake, Jukebox, Lederjacke – und eine Band, die einfach alle Lieblingssongs deiner Eltern auf einmal spielt.
Nur, dass sie diesmal alle von Billy Joel stammen.

Wusstet du schon, dass…

Drei Jahre, drei Alben, drei Welten – Zwischen Glass Houses (Rock), The Nylon Curtain (progressiv & ernst) und An Innocent Man (leicht & nostalgisch) liegen nur drei Jahre, und doch klingen sie, als kämen sie aus völlig unterschiedlichen Jahrzehnten.

Beethoven als Co-Komponist – Der Refrain von This Night basiert tatsächlich auf dem 2. Satz von Beethovens „Pathétique“-Sonate. Billy Joel hat den Meister sogar im Booklet als Co-Writer erwähnt.

„The Longest Time“ war fast nicht geplant – Joel schrieb den Song ursprünglich als Spaßnummer und wollte ihn gar nicht aufs Album nehmen. Erst die Begeisterung seiner Band brachte ihn dazu, den Titel zu veröffentlichen.

„Keeping the Faith“ im Musikvideo – Das Video ist ein bunter Rückblick auf Mode, Autos und Tanzstile der 50er/60er und damit fast eine visuelle Kurzfassung des ganzen Albums.

Das Album als Liebeserklärung an die Jugend – Joel sagte selbst, An Innocent Man sei ein Dankeschön an all die Musik, die ihn als Teenager begleitet hat – ein „Soundtrack seiner frühen Jahre“.

Album auf Spotify anhören

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert