
Phil Collins – …But Seriously (Deluxe Vinyl Edition): Mehr als nur ein Nachfolger
Als …But Seriously Ende 1989 erschien, war Phil Collins längst kein unbeschriebenes Blatt mehr. Der Mann hinter Genesis, der Mann mit der unverkennbaren Stimme und den glasklaren Drumsounds hatte mit No Jacket Required die 80er geprägt – chartstürmend, radiotauglich, überall präsent. Doch …But Seriously war ein Wendepunkt. Es war nicht nur musikalisch ausgereifter, sondern auch thematisch gewichtiger. Kein bloßes Weiter-so, sondern ein Statement.
Und heute, auf Vinyl – in der Deluxe Edition – wirkt dieses Album kraftvoller denn je.
Deluxe auf den Punkt gebracht – Klang & Haptik
Die Neuauflage auf 180g-Vinyl bringt …But Seriously in einer Form zurück, die der Tiefe des Albums gerecht wird. Schon beim ersten Auspacken merkt man: Hier wurde Wert auf Qualität gelegt. Ein stabiler Gatefold-Sleeve, detailreiche Linernotes und ein schickes Remastering, das nicht einfach nur aufpoliert, sondern Raum schafft. Raum für Dynamik, Nuancen und diesen typischen Collins-Sound – warm, direkt, emotional.
Besonders auffällig: Die detailreiche Abstimmung zwischen Höhen und Mitten. Die Vinylfassung bringt genau die Wärme mit, die dem Album auf digitalen Formaten manchmal fehlt.
Hörempfehlung: Do You Remember – ein Song, der auf Vinyl fast schon atmet. Die Stimme steht klar im Raum, das Piano umarmt sie förmlich. Ein Gänsehautmoment.
Zwischen Pop und Politik – ein Album mit Haltung
Was …But Seriously besonders macht, ist der Mut zur Botschaft. Collins zeigt sich ernsthaft, kritisch, sozial engagiert – ohne erhobenen Zeigefinger, aber mit klarem Blick.
- „Another Day in Paradise“ erzählt von Obdachlosigkeit – leise, traurig, fast flehend. Ein Song, der bis heute Gänsehaut auslöst.
- „Colours“ prangert das Apartheid-Regime in Südafrika an – musikalisch opulent, inhaltlich wütend.
- „Heat on the Street“ fängt die Rastlosigkeit der Zeit ein – ein Kind der späten 80er.
Diese Lieder waren nicht nur Hits – sie waren Kommentare zur Weltlage. Für mich war Another Day in Paradise einer der ersten Songs, bei dem mir als Jugendlicher bewusst wurde, dass Popmusik auch politisch sein kann. Dass ein Song nicht nur zum Mitsingen, sondern auch zum Nachdenken da ist.
Klangbild mit Tiefgang – Die Handschrift des Produzenten Collins
Phil Collins war nicht nur Sänger und Songwriter – er war auch Produzent. Und das hört man. …But Seriously ist ein Musterbeispiel für durchdachte Klangarchitektur:
- Die markanten Drums sind da, aber gezielter eingesetzt als bei früheren Alben – weniger Effekthascherei, mehr Songdienlichkeit.
- Die Orchester-Arrangements, besonders bei Songs wie All of My Life, sind mehr als Beiwerk – sie tragen und erweitern den emotionalen Ausdruck.
- Die Dynamik wirkt auf Vinyl besonders deutlich – leise Passagen leben, laute explodieren nicht, sondern entfalten sich.
Vergleicht man z. B. Something Happened on the Way to Heaven auf CD und Vinyl, merkt man schnell: Die Vinylversion hat mehr Raum, mehr Luft, mehr Seele.
Ein Kind seiner Zeit – und doch zeitlos
…But Seriously erschien in einem bewegten Jahr: Der Kalte Krieg ging zu Ende, die Berliner Mauer fiel, Thatcher trat ab – und Phil Collins schrieb einen Soundtrack für die Zeitenwende.
Heute – über drei Jahrzehnte später – wirken viele der Themen aktueller denn je. Die soziale Kälte von Another Day in Paradise, die politische Anklage von Colours – leider zeitlos. Das macht das Album zu mehr als einem musikalischen Meilenstein. Es ist ein Zeitdokument mit bleibender Relevanz.
Fazit: Ein ernsthaftes Album, das auf Vinyl seinen vollen Glanz entfaltet
…But Seriously ist kein Album für den schnellen Genuss – es will gehört, gespürt, verstanden werden. Gerade die Deluxe-Vinyl-Version bietet dafür die ideale Grundlage: klanglich exzellent, haptisch wertig und optisch ansprechend.
Für mich gehört dieses Werk zu den wichtigsten Alben von Phil Collins – und zu den besten Beispielen dafür, wie Popmusik Tiefgang haben kann. Wer nur Easy Lover oder Sussudio im Kopf hat, sollte diesem Album (und sich selbst) eine zweite Chance geben.
Hörempfehlung für den Abend: I Wish It Would Rain Down – mit Eric Clapton an der Gitarre. Ein Meisterwerk voller Gefühl, das auf Vinyl erst seine volle Intensität entfaltet.
Tipp für Sammler: Die Deluxe-Vinyl-Version ist klanglich hervorragend und liebevoll gestaltet – aber auch die originale Erstpressung von 1989 hat ihren ganz eigenen Charme. Wer beide Ausgaben vergleicht, entdeckt spannende Unterschiede in Mastering und Dynamik. Für Vinyl-Fans lohnt sich die Suche auf jeden Fall.
Denn: …But Seriously ist kein lauter Paukenschlag – sondern ein stiller Nachhall, der lange bleibt.


