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Sound of Overplay: Wenn Klassiker über die Brücke der Geduld gehen – Simon And Garfunkel’s Greatest Hits

Die erste Begegnung mit „Simon and Garfunkel’s Greatest Hits“ war ein Moment voller Ehrfurcht. Es geschah an einem Sonntagnachmittag bei einem Schulfreund. Seine Eltern hatten diese beeindruckende Stereoanlage, auf der jedes Lied klang, als würden Paul Simon und Art Garfunkel direkt im Wohnzimmer stehen. Damals war ich begeistert — bis zum dritten Durchgang. Danach war klar: Dieses Album würde ich für lange Zeit nicht mehr hören wollen.

Ein Meilenstein mit Langzeitfolgen

Als das Album 1972 veröffentlicht wurde, war es eine kleine Revolution. „Simon and Garfunkel’s Greatest Hits“ war kein normales Best-of, sondern eine Sammlung ihrer erfolgreichsten Studioaufnahmen, kombiniert mit Live-Versionen, die eine intime, fast hypnotische Atmosphäre schufen. Songs wie „Mrs. Robinson,“ bekannt aus dem Film „Die Reifeprüfung“ (1967), und das epische „Bridge Over Troubled Water“ trugen das Duo in den Olymp der Musikgeschichte. Innerhalb eines Jahres war das Album ein weltweiter Verkaufsschlager — und ein Dauerbrenner in den Wohnzimmern.

Doch wie bei jeder großen Liebe kam auch hier der Punkt, an dem die Überdosis einsetzte. In den 70ern und 80ern war es fast unmöglich, eine Party, ein Radiointerview oder eine Folge einer amerikanischen Sitcom zu erleben, ohne mindestens eine Zeile von „The Sound of Silence“ zu hören. Es wurde zur Hymne für melancholische Teenager und zur Hintergrundmusik für sämtliche romantische Komödien.

Die Lieder, die überall waren

„Bridge Over Troubled Water“ — dieser hymnische Titeltrack mit Garfunkels engelsgleicher Stimme — war der Song, den jeder Schulchor singen wollte, egal ob sie die Höhen erreichten oder nicht. Und dann war da „Mrs. Robinson,“ ein Lied, das so eng mit Dustin Hoffmans verwirrtem Blick in „Die Reifeprüfung“ verbunden war, dass man das Stück praktisch als Soundtrack eines mentalen Nervenzusammenbruchs bezeichnen konnte.

Ein Album, das sich selbst versteckte

Ich erinnere mich an eine Szene bei meinem Schulfreund, die heute fast wie eine Filmszene wirkt: Sein Vater öffnete die Schublade mit den Schallplatten, und da war sie — „Simon and Garfunkel’s Greatest Hits.“ „Schon wieder?“ fragte ich. Ohne zu zögern schob er sie ganz nach hinten, hinter „ABBA“ und irgendeine obskure Jazzplatte. „Wir lassen sie etwas ruhen,“ sagte er trocken. Ich wusste damals nicht, ob ich lachen oder weinen sollte.

Eine Platte mit Geschichte

Erst vor Kurzem entschied ich mich, eine gebrauchte Version dieses Albums zu erwerben. Dem Cover war anzusehen, dass die Platte geliebt wurde — Ecken abgenutzt, viele Kratzer und eine Patina auf dem Cover, die von vielen Händen erzählte. Es schien, als ob sie eine lange Reise hinter sich hatte und schon in zahlreichen Wohnzimmern für musikalische Begleitung gesorgt hatte. Das Vinyl selbst jedoch war wie neu, und der Klang ist bis heute ein tolles Erlebnis. Man spürt die Qualität jeder Aufnahme und die Magie, die diese Musik transportiert.

Die Allgegenwärtigkeit der Klassiker

Die Allgegenwart dieser Songs brachte kuriose Nebenwirkungen mit sich. Plötzlich war „Scarborough Fair“ nicht nur ein altes englisches Volkslied, sondern der Soundtrack für Werbespots für Luxus-Seife. „The Boxer“ schien ein geheimes Mantra zu sein, das immer dann lief, wenn Helden in Filmen kurz vor einer Überwindung großer Hindernisse standen. Diese Überpräsenz machte es schwierig, die Songs noch unbefangen zu genießen.

Zeitlose Qualität trotz Überdruss

Doch trotz allem: „Simon and Garfunkel’s Greatest Hits“ hat die Zeit überdauert. Die Songs sind wie gute Weine — sie reifen, auch wenn man sie zeitweise im Keller vergessen muss. Heute, Jahrzehnte später, höre ich „Bridge Over Troubled Water“ wieder mit Gänsehaut. Vielleicht ist das das Geheimnis großer Musik: Sie kann uns manchmal überfordern, aber sie bleibt immer ein Teil von uns.

Album auf Spotify anhören

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