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Jean Eugène Auguste Atget – Der stille Chronist von Paris

Jean Eugène Auguste Atget
Jean Eugène Auguste Atget

Hast du schon einmal von Jean Eugène Auguste Atget gehört? Er ist einer der großen, aber lange unbeachteten Pioniere der Fotografiegeschichte. Atget hat das alte Paris dokumentiert, bevor die Moderne Einzug hielt. Sein Leben und Werk sind eine beeindruckende Inspiration – für Fotografen und für alle, die die Welt durch eine besondere Linse sehen wollen. In diesem Blog nehme ich dich mit auf eine Reise durch Atgets Geschichte und seine einzigartige Art, die Welt festzuhalten.

Jean Eugène Auguste Atget wurde 1857 in Libourne, Frankreich, geboren. Sein Leben begann mit einer Reihe von Umwegen: Er arbeitete als Seemann und Schauspieler, bevor er sich der Fotografie zuwandte. Anfangs sollte die Kamera lediglich als Werkzeug dienen, um Materialien für Künstler bereitzustellen – doch daraus entwickelte sich seine wahre Berufung. Atget lebte in Paris, wo er begann, die Stadt und ihr altes Gesicht zu dokumentieren. Trotz seiner Hingabe blieb er während seines Lebens weitgehend unbekannt.

Atgets fotografische Mission

Warum hat Atget fotografiert? Sein Ziel war es, das verschwindende Paris festzuhalten. Die Stadt stand kurz vor einer radikalen Veränderung durch die Modernisierung. Atget konzentrierte sich auf Straßenszenen, alte Architektur, Parks und Schaufenster – Details, die anderen oft entgingen. Er wollte kein Künstler im klassischen Sinn sein, sondern ein Chronist der Wirklichkeit. Seine Bilder sind ungeschminkt, ehrlich und voller Respekt vor der Vergänglichkeit.

Diese trostlose Szene zeigt die kreative Nutzung beengter öffentlicher Räume durch die städtische Arbeiterklasse. Auf dem Foto siehst du die Utensilien einer Spenglerei, die auf dem Bürgersteig verstreut sind. Werkzeuge auf der Fensterbank und Abfälle auf dem Gehweg lassen darauf schließen, dass hier direkt auf der Straße gearbeitet wurde – zumindest, wenn der Verkehr es erlaubte. An der verdunkelten Ladentür hängen Teekannen, Töpfe, Pfannen und eine große Schüssel. Vor dem Laden steht eine Schubkarre, vermutlich genutzt, um defekte Gegenstände abzuholen und reparierte auszuliefern. 1912.
Diese Aufnahme dokumentiert auf eindringliche Weise die engen Räume, die die städtische Arbeiterklasse zur Arbeit und zum Leben nutzte. Hier kontrastiert die übermütige Haltung eines lächelnden, muskulösen Metallarbeiters in seiner Schmiede in der Passage de la Réunion mit der steifen Pose einer Frau – vermutlich seiner Ehefrau –, die wie eine Puppe in einer Schachtel im Fenster darüber wirkt. Werkstatt und Wohnung sind hier am Anfang dieses schmalen, schmuddeligen Durchgangs miteinander verschmolzen und erzählen von einem Leben, das Pragmatismus und Kreativität in einer beengten Umgebung vereint. 1911.
Diese Aufnahme fängt die engen Verhältnisse eines kleinen Betriebs ein, der inmitten mehrerer Wohnungen in einer schmalen Gasse operiert. Der Betrieb wirbt mit „höchst freundlichem“ Bügelservice, während Lumpen zum Trocknen aufgehängt sind, Zimmerpflanzen auf den Fensterbänken stehen und Körbe auf Stöcken lehnen. Besonders auffällig sind die beiden Figuren im zentralen Fenster, die das alltägliche Leben in diesem Innenhof repräsentieren. Der Kontrast zwischen der Dunkelheit des Raums und der Helligkeit des Straßenlichts wird durch die Überbelichtung des rechteckigen Portals hervorgehoben, das wie ein Eingang in eine hellere Welt wirkt. 1924

Atget arbeitete mit einer Großformatkamera und Glasplattennegativen. Stell dir vor: Jede Aufnahme erforderte eine sorgfältige Vorbereitung, von der Wahl des Motivs bis hin zur exakten Belichtung. Diese langsame Arbeitsweise zwang ihn, mit Bedacht zu fotografieren. In einer Welt, in der heute oft „draufhalten“ das Motto ist, erinnert Atget daran, wie wertvoll bewusste Fotografie sein kann.

Künstlerische und kulturelle Bedeutung

Atgets Werk zeigt uns ein Paris, das es heute nicht mehr gibt. Seine Bilder sind nicht nur Dokumente, sondern auch poetische Zeugnisse. Interessanterweise wurden seine Arbeiten von den Surrealisten entdeckt und geschätzt, obwohl er selbst keinen künstlerischen Anspruch hatte. Erst nach seinem Tod erkannte die Fotografie-Welt seinen wahren Wert – dank der Fotografin Berenice Abbott, die seine Werke bewahrte und bekannt machte.

Was können wir von Atget lernen? Seine Herangehensweise zeigt uns, dass es nicht immer um technische Perfektion geht. Es geht darum, eine Geschichte zu erzählen, die anderen verborgen bleibt. Seine Arbeiten inspirieren bis heute Dokumentarfotograf:innen und all jene, die sich mit Licht, Schatten und Details auseinandersetzen. Er lehrt uns, wie wichtig es ist, das Alltägliche mit neuen Augen zu sehen.

In einer Welt, die von Selfies und perfektionierten Bildern dominiert wird, erscheint Atgets Ansatz fast revolutionär. Seine Fotos sind still, fast unsichtbar, und doch sprechen sie Bände. Sie zeigen uns, wie schön Einfachheit sein kann und wie wertvoll es ist, authentisch zu bleiben.

Diese Szene zeigt eine baufällige Treppe, umgeben von Zeitungsbündeln, Lumpensäcken und verstreutem Gerümpel – Hinweise auf einen Zwischenhändler, der mit Schrott handelt. Über der inneren Eingangstür informiert ein ordentlich beschriftetes Schild über Preise für verschiedene Arten von Schrott, darunter Glas, gemischtes Papier und Eisen. Atget selbst erkannte in solchen Motiven eine historische Bedeutung, wie ein Brief von 1920 belegt. Die geschnitzte Holztreppe, deren Verfall hier deutlich sichtbar wird, dokumentiert den unvermeidlichen Wandel und den Verlust architektonischer Details, die einst Teil des Pariser Lebens waren. Durch seine Fotografie hielt Atget diese flüchtigen Momente fest und bewahrte sie vor dem Vergessen. 1912.

Was du von Atget lernen kannst
Jean Eugène Auguste Atget erinnert uns daran, wie viel Kraft in Geduld und einer klaren Vision liegt. Seine Fotografien sind ein Zeugnis für die Macht der Dokumentation und für die Idee, dass jede Aufnahme ein Stück Geschichte bewahren kann. Vielleicht inspiriert er auch dich, bewusster zu fotografieren und die kleinen, unscheinbaren Details in deiner Umgebung wahrzunehmen.

Tipps für Atget-inspirierte Fotografie

  • Schau genauer hin: Welche Details erzählen eine Geschichte?
  • Besuche historische Orte und halte ihre Atmosphäre fest.
  • Lass dir Zeit für jede Aufnahme und plane sie bewusst.
  • Experimentiere mit Licht und Schatten, um eine besondere Stimmung einzufangen.

Atgets Vermächtnis zeigt uns, dass Fotografie mehr sein kann als ein schnelles Bild – sie kann ein Tor in die Vergangenheit und eine Hommage an das Leben sein. Probier es selbst aus und lass dich von seiner Arbeit inspirieren!

Beitragsbild: Eugène Auguste Atget – Salon de Coiffure

Fotos: Eugène Auguste Atget – Gemeinfrei

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