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Warum dein Blitz keine Glaskugel braucht – Die Leitzahl erklärt’s dir

Die Leitzahl ist einer dieser Begriffe in der Fotografie, über den viele stolpern – besonders wenn es um das Thema Blitzlicht geht. Dabei ist sie ein einfacher, aber mächtiger Wert, der dir hilft, die Leistung eines Blitzgeräts besser einzuschätzen und gezielter einzusetzen. In diesem Guide bekommst du nicht nur eine verständliche Einführung, sondern auch praktische Beispiele, eine Anleitung zur eigenen Lichtmessung und Tipps, wie man manuelle Blitze richtig nutzt.

Was ist die Leitzahl überhaupt?

Die Leitzahl (englisch: Guide Number) ist eine Kennzahl, die angibt, wie weit ein Blitzlicht bei einer bestimmten Blendenöffnung reicht – oder umgekehrt, welche Blendenöffnung bei einer bestimmten Entfernung erforderlich ist, um korrekt zu belichten. Sie beschreibt die Leistungsfähigkeit eines Blitzgeräts.

Merke:

Leitzahl = Blendenzahl × Entfernung (in Metern)
Gültig bei ISO 100 und direktem Blitz ohne Lichtformer.

Ein Beispiel: Hat ein Blitzgerät eine Leitzahl von 40, bedeutet das bei ISO 100:

  • Du kannst ein Motiv in 10 m Entfernung korrekt belichten, wenn du Blende 4 wählst.
  • Oder: Bei Blende 8 darf das Motiv nur noch 5 m entfernt sein.

Ein Blick zurück: Die Leitzahl in der analogen Fotografie

In Zeiten rein manueller Fotografie war die Leitzahl für Blitzanwender essenziell. Fotografen mussten ohne automatische Belichtung oder TTL-Messung (dazu später mehr) die passende Blende händisch berechnen – oft mit Hilfe von Entfernungsschätzungen und einem Blick auf das Gehäuse des Blitzes, wo die Leitzahl oder eine Tabelle aufgedruckt war.

Bei vielen klassischen Geräten wie dem Metz mecablitz oder älteren Vivitar-Modellen gehörte die Leitzahl zur Grundausstattung – und zum grundlegenden Verständnis jedes Fotografen.

Mathe für Fotografen: Die Formel erklärt – mit anschaulichen Beispielen

Die Leitzahl basiert auf einer einfachen Formel:

Leitzahl = Blendenzahl × Entfernung (in Metern)
(Bei ISO 100 und direktem Blitz)

Das bedeutet: Wenn du zwei Werte kennst, kannst du den dritten berechnen – ganz ohne Hightech.

Beispiel 1: Welche Blende bei gegebener Entfernung?

Ein Blitzgerät hat eine Leitzahl von 36 (bei ISO 100). Du fotografierst ein Motiv, das 6 Meter entfernt ist.

Berechnung:
Blende = Leitzahl / Entfernung = 36 / 6 = Blende 6
Da Blende 6 keine Standardblende ist, wählst du die nächstgelegene Blende 5.6 – das Bild wird dadurch etwas heller, was meist unkritisch ist.

Beispiel 2: Wie weit reicht der Blitz bei gegebener Blende?

Du möchtest mit Blende 8 fotografieren und einen Blitz mit Leitzahl 40.

Berechnung:
Entfernung = Leitzahl / Blende = 40 / 8 = 5 Meter
→ Bei 5 Metern wird dein Motiv korrekt belichtet. Steht das Motiv weiter entfernt, wird es unterbelichtet – außer du erhöhst die ISO oder öffnest die Blende.

Beispiel 3: Du möchtest ein Motiv in 3 Metern Entfernung mit deinem Blitz korrekt ausleuchten

Deine Kamera ist auf ISO 100 eingestellt, der Abstand zum Motiv beträgt 3 Meter, und du möchtest eine möglichst scharfe Aufnahme – ideal wäre Blende 11.

Berechnung:
Leitzahl = Blende × Entfernung = 11 × 3 = 33
→ Dein Blitz sollte eine Leitzahl von mindestens 33 haben. Ist das nicht der Fall, kannst du ISO erhöhen oder die Blende weiter öffnen.

Klassisch vs. modern: TTL-Blitzsysteme im Vergleich

Früher war das Rechnen mit der Leitzahl Standard – heute regeln moderne Kameras mit TTL-Blitzsystemen (Through-The-Lens) automatisch die Blitzleistung. Dabei wird das vom Motiv reflektierte Licht durch das Objektiv gemessen, und der Blitz passt sich in Echtzeit an.

Trotzdem ist das Wissen um die Leitzahl weiterhin wertvoll, zum Beispiel:

  • bei rein manuellen Blitzen oder Studioblitzgeräten ohne TTL
  • bei ungewöhnlichen Lichtverhältnissen, bei denen TTL versagt
  • um zu verstehen, ob ein Blitz für eine geplante Lichtsituation überhaupt stark genug ist

Eigene Lichtmessung – so geht’s

Auch wenn moderne Kameras und TTL-Systeme heute vieles automatisch regeln, lohnt sich der Blick zurück auf die Grundlagen: Wer einmal selbst misst, versteht die Zusammenhänge zwischen Licht, Entfernung und Belichtung deutlich besser. Eine einfache eigene Lichtmessung mit Blitz zeigt dir ganz konkret, wie sich die Leitzahl aus der Praxis ableiten lässt – und warum sie mehr ist als nur ein theoretischer Wert auf dem Papier.

Du brauchst:

  • Eine Kamera mit manuellem Modus
  • Ein manuell regelbares Blitzgerät
  • Ein Motiv mit neutraler Oberfläche
  • Ein Entfernungsmessgerät oder Zollstock

Vorgehen:

  1. Stelle die Kamera auf ISO 100.
  2. Messe den Abstand zum Motiv (z. B. 4 Meter).
  3. Stelle den Blitz auf volle Leistung.
  4. Fotografiere eine neutrale Fläche mit Blende 8.
  5. Schaue das Histogramm oder das Bild an – ist es korrekt belichtet?
  6. Wenn ja: Leitzahl = Blende (8) × Entfernung (4) = Leitzahl 32

Kurzer Exkurs: Manuelle Blitzfotografie heute

Auch wenn die meisten Fotografen heute auf automatische Systeme setzen, lohnt sich ein Grundverständnis für die manuelle Blitznutzung. Viele günstige oder kreative Blitze (z. B. Aufsteckblitze im Retro-Stil, Studioblitze, entfesselte Blitze) funktionieren nur manuell.

Kurz zusammengefasst:

  1. Abstand messen
  2. Blende berechnen
  3. Einstellungen setzen
  4. Bild kontrollieren

Wer einmal erlebt hat, wie präzise ein manuell gesetzter Blitz wirkt – besonders im Studio – erkennt schnell den kreativen Mehrwert.

Blitz-Tipps für Einsteiger

Nicht vergessen: Die Leitzahl bezieht sich immer auf ISO 100!
Entfernung genau messen – besonders bei Nahaufnahmen!
Lichtformer, Softboxen oder Weitwinkelvorsätze reduzieren effektiv die Leitzahl.
Blitz und Umgebungslicht ergänzen sich – Blitz friert Bewegung ein, Umgebungslicht sorgt für Stimmung.
Protokollieren hilft – Erfahrungen dokumentieren verbessert das Verständnis.

Die Leitzahl ist kein Relikt vergangener Zeiten – sie ist ein Werkzeug für alle, die Kontrolle über ihre Lichtsetzung behalten wollen. Mit ein wenig Übung und Verständnis kannst du dein Blitzgerät gezielt und kreativ einsetzen – ganz gleich, ob du analog oder digital fotografierst.

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